Als Jesuit bin ich schon ziemlich oft umgezogen. Immer, wenn ich dann ein neues Zimmer einrichte, da schaue ich, dass ich auch eine Weltkarte aufhänge. Vielleicht ist ein bisschen Nostalgie dabei: meine Eltern haben nämlich einen Globus zuhause – und als Kinder haben wir immer Österreich gesucht … das war aber kaum zu finden, weil es eben so klein ist .
Die Weltkarte in meinem Zimmer ist für mich eine Erinnerung daran, dass die Welt größer ist als mein kleiner Horizont. Und das führt uns nun direkt zum Evangelium von heute.
Auf den ersten Blick ist dieser Abschnitt ja eher herb.
Es ist Sabbat, Jesus ist in der Synagoge und liest dort aus dem Buch des Propheten Jesaja vor. Das war das Evangelium vom vergangenen Sonntag: dort ist vom Bringen der guten Nachricht für die Armen die Rede, von der Freilassung der Gefangenen und von der Ausrufung eines Gnadenjahrs.
Und dann geht es mit dem heutigen Abschnitt weiter: Jesus legt den Jesaja-Text aus und sagt: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“ – Bei allen findet seine Rede Beifall – aber dann wendet sich das Blatt: „Ist das nicht Josefs Sohn?“ Jesus bringt zwei Beispiele – und provoziert damit seine Zuhörer so, dass sie wütend werden, ihn zur Stadt hinaustreiben und ihn einen Abhang hinunterwerfen wollen. Er aber geht weg.
Was hat die Leute in der Synagoge so wütend gemacht? Es waren diese zwei Beispiele.
Zuerst erzählt Jesus von Elija, einem wichtigen Propheten des Alten Bundes. In einer Zeit der Hungersnot gab es viele einheimische Witwen in Israel, aber Gott hat Elija ausgerechnet nur zu einer Witwe in Sarepta bei Sidon [im heutigen Syrien] geschickt, das heißt zu jemandem außerhalb Israels!
Und bei Elischa war es genauso. Zu seiner Zeit gab es viele Aussätzige in Israel, aber geheilt wurde ausgerechnet nur der Syrer Naaman: auch einer „von draußen“, der eigentlich nicht dazugehört. Das hat die Leute wütend gemacht, weil sie das als ungerecht empfunden haben: eigentlich „steht uns das zu“: die Hilfe und die Aufmerksamkeit Gottes.
Was ist das Stärkende des heutigen Evangeliums? – Es zeigt uns, dass Gott auch dort wirkt, wo wir es vielleicht nicht vermuten – jedenfalls auch außerhalb etablierter Strukturen. Schon im Alten Bund haben die Propheten außerhalb Israels gewirkt – und Jesus führt das weiter: er universalisiert, er führt hinaus in die Weite.
Das Durchbrechen der Schranken der eigenen Gemeinschaft war für Jesus mit großer Ablehnung verbunden. Das Hinaustreiben aus der Stadt in Nazareth – dem entspricht wenige Zeit später die Kreuzigung vor der Stadt Jerusalem.
Die Ablehnung von Jesus und seiner Botschaft der Liebe: Das ist immer noch aktuell.
Ich denke dabei an Indien, wo die Christinnen und Christen durch nationalistische Gruppen verfolgt werden – vieles erinnert mich an die Berichte, die wir aus der Nazi-Zeit bei uns kennen: Kirchenfenster werden eingeschlagen, Gottesdienste gestört, christliche Schulen und Krankenhäuser an ihrer Arbeit gehindert.
Die Ablehnung der Botschaft Jesu kennen wir auch bei uns in Österreich. Die neue Möglichkeit zum assistierten Suizid ist mit der Botschaft Christi nicht kompatibel: da geht es um den Schutz des Lebens, nicht um die Beihilfe zum Tod.
Wenn das Evangelium konkret wird, dann kommt es zu Ablehnung: das war bei den Propheten des Alten Bundes so, das war bei Jesus so, und das ist bis heute so.
Aber: die Ablehnung hat nicht das letzte Wort. Jesus geht von Nazareth nach Kafarnaum und lehrt und heilt dort.
Wichtig ist, dass wir als Christinnen und Christen nicht bei den schwierigen Nachrichten stehen bleiben und darüber klagen. So wie Jesus gehen wir weiter und bleiben der guten Nachricht treu, dem Evangelium.
Dann merken wir, dass Gott an unerwarteten Orten das Gute wirkt. Dafür kann uns die Weltkarte helfen. Sie hilft uns, dass wir einen Blick auf das Ganze bekommen – einen tatsächlich katholischen Blick.
Dieses Hilfsmittel der Landkarten, die uns die Weite von Gottes Welt zeigen, das kannten schon die Architekten dieser Kirche, 1636!
Beim Hinausgehen können Sie an die Decke der Kapellen beim Eingang schauen: die Ignatius-Kapelle hat europäische Landkarten im Deckenstuck, die Franz-Xaver-Kapelle solche aus Asien.
Die Güte Gottes sehen – bei uns zuhause und in der ganzen Welt. Das stärkt uns und lässt uns weitergehen in diese Woche.
Amen.
P. Christian Marte SJ