Joh 17,20-26 (Offb 22,12-14 …) – 31.5.2025/1.6.2026 – Innsbruck, Jesuitenkirche
Was ist Jesus wichtig? Was tut er? – Mir helfen diese Fragen, wenn ich so einen dichten Bibel-Text vor mir habe. Ich kann dann schauen, was das für mich heißt, wo ich mich an Jesus orientieren kann.
I.
Also: Was tut Jesus? Jesus betet. Es sind die letzten Worte Jesu vor seiner Verhaftung. Jesus betet zu seinem Vater im Himmel.
Man könnte jetzt denken: Ja, eh. Jesus betet. Warum ist das jetzt so wichtig? Es ist wichtig, weil Jesus für uns Christinnen und Christen das entscheidende „Role Model“ ist, das Vorbild für unser Leben.
Zuerst prägen unsere Eltern und Großeltern unser Gottesbild. Aber schon als Jugendliche entscheiden wir zunehmend selbst, wer für uns Bedeutung hat, an wem wir uns ausrichten, wer uns prägt. Das sind viele kleine Schritte. Und, wenn wir realistisch sind, dann müssen wir uns bis ins Alter immer wieder neu entscheiden: „Ja, ich möchte mich an Jesus orientieren und ihn nachahmen.“ Imitatio Christi.
Zu meinen liebsten Bibelstellen gehören die Abschnitte, wo es heißt: Jesus zog sich in die Einsamkeit zurück, um zu beten – er allein.
Je mehr wir im Leben gefordert sind, desto mehr tut uns die Stille gut. Und das Gespräch mit Jesus selbst, so wie man mit einem Freund spricht.
Es ist auch gut, sich manchmal zu fragen: Wer ist mein Gegenüber beim Beten? Gott, der Vater im Himmel, der Schöpfer? Jesus, der mit dem Vater ganz eins ist? Der Heilige Geist, der aus den beiden hervorgeht – und der uns inspiriert und antreibt? Für mich ist es Jesus. In ihm erkenne ich, wie Gott ist: liebevoll, gerecht, heilig.
II.
Zwei Mal im Jahr fahre ich nach Rom, zu Gesprächen mit dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst, ganz in der Nähe des Petersdoms. Ich komme da an vielen kleinen Souvenir-Geschäften vorbei, viele von Ihnen werden das vermutlich kennen. Man kann dort Rosenkränze kaufen oder Bilder vom neuen Papst. Und dann gibt es dort auch graue Schwerter aus Plastik, wohl für die Kinder. Sie erinnern an die Vergangenheit Roms, an das römische Heer, an das Kolosseum und an Cäsar.
Ich merke, dass sich derzeit in der Welt einiges neu sortiert. Um im Bild des Souvenir-Ladens zu blieben: es gibt weniger Rosenkränze und mehr Schwerter.
Männlich sein, kräftig sein, Muskelaufbau. Der Starke darf alles – und der Schwache muss sich fügen. Die Schattenwelt des Internets propagiert genau das. Und zwischen Staaten ist es auch so. Die Stärke des Rechts nimmt ab, das Recht des Stärkeren nimmt zu. Deutlich gesagt sind das heidnische, pagane Werte – dafür steht das graue Plastik-Schwert.
Der Rosenkranz steht für Barmherzigkeit, Hilfsbereitschaft und Wertschätzung, für Empathie, Treue und Liebe, für die leise Stimme des Gewissens. Und für die Gewissheit, dass das Böse nicht siegen wird, wie Papst Leo bei seiner ersten Ansprache gesagt hat.
Dahinter steht die große Geschichte, mehr noch: die Weisheit des Judentums und des Christentums. Der Mensch ist als Ebenbild Gottes geschaffen – jeder Mensch. Allein diese Grund-Aussage auf der ersten Seite der Heiligen Schrift schafft schon so viel Klarheit und Sicherheit im Umgang miteinander.
Oder denken Sie an das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. Man hilft einem anderen Menschen, der in Not ist – obwohl er gar nicht zur eigenen Familie gehört. Das ist „Jesus-Solidarität“, das ist es, was wir gut und richtig finden als Christinnen und Christen. So geschieht Gemeinwohl, so wird eine Gesellschaft aufgebaut.
III.
Was tut Jesus? Das war meine Ausgangsfrage heute. Jesus betet, und zwar für andere. Er betet: „Vater, ich bitte dich nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben.“
Für andere Menschen beten. Das können wir bei Jesus lernen. Das hilft uns, von uns selbst wegzuschauen, nicht nur bei unseren Sorgen zu bleiben. Für andere beten, ihnen einen guten Gedanken senden. Andere segnen, auch die, mit denen man sich schwer tut. Das müssen wir niemandem sagen – wir tun es einfach in unserem Herzen.
IV.
So geschieht sehr viel Gutes im Verborgenen, gerade auch hier in Tirol. Als Christinnen und Christen brauchen wir zugleich auch das öffentliche Bekenntnis: „Ja, mir ist wichtig, zu Christus und seiner Kirche zu gehören.“ Wir brauchen uns nicht zu verstecken.
Wir nützen unsere Spielräume zum Guten hin: Das ist der Weg der Hoffnung, der Weg Jesu.
Amen.