Mt 13,47-52 (1 Kor 10,31-11,1) – Ignatiuspredigt – 31.7.25 – Jesuitenkirche Innsbruck

Ich möchte heute eine Gelassenheits-Predigt halten.

Das wird manche von Ihnen vielleicht wundern, weil sie mich nicht als den coolen und immer gleichmütigen Menschen kennen.
Ich bin mit vielem nicht zufrieden: in der Welt, in der Kirche und auch im Jesuitenorden nicht.
Ich möchte Dinge verändern, damit es besser wird!
In den vergangenen Wochen ist mir immer wieder das Gelassenheitsgebet in den Sinn gekommen. Es geht auf einen amerikanischen Theologen zurück, Reinhold Niebuhr[1]. Heute möchte ich mit Ihnen darüber nachdenken. 

1. Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann.

Das ist der erste Satz dieses Gebets.
Dinge, die ich nicht ändern kann, gibt es viele. Das Älterwerden zum Beispiel. Die Zugverspätungen. Oder dass Bauprojekte im Altbau fast immer zu unliebsamen Entdeckungen führen.
In solchen Situationen geht es darum, wie wir damit umgehen. Da wäre eine Portion Geduld und Gelassenheit gut. Augustinus wird das Gebet zugeschrieben: „Herr, gibt mir Geduld, aber bitte sofort.“ 😊
Gelassenheit bedeutet nicht: Laissez-faire. Oder wie der Wiener gerne sagt: „Eh scho wuascht.“
Es bedeutet eher: Innerlich ruhig bleiben, auch wenn ich eigentlich auszucken möchte. Äußerlich gefasst sein. Die eigenen Erwartungen anpassen – an andere Menschen und Situationen.
Dass wir Gott bitten, dass er uns Dinge hinnehmen lässt, aushalten lässt: das hat gute Gründe. Wir wissen, dass vieles unsere Kraft übersteigt. Wenn ich an die Angriffe auf die Städte in der Ukraine denke, an die Geiselnahmen in Israel und an die Militär-Aktionen in Gaza: das ist unmenschlich, niederträchtig, böse. 
Wenn ich an menschlich verursachtes Leid denke, von dem ich weiß – das ich aber nicht ändern kann: Dann kann ich mich als Christin, als Christ darauf verlassen, dass es am Ende ein Gericht geben wird. Die Täter wollen davon nichts hören. Aber die Opfer hoffen auf Gericht und Gerechtigkeit. Genau davon spricht heute das Evangelium: Die Engel werden kommen und die Bösen aus der Mitte der Gerechten aussondern.
Es tut uns gut, wenn wir mit der Kraft Gottes rechnen. Meistens wirkt Gott durch andere Menschen. Gute Menschen, die er uns in den Weg schickt, die uns einen Rat geben, die uns weiterhelfen.
Das ist die Methode Gottes. Darum können wir gelassen sein, im Letzten und im Vorletzten.

 

2. Gott, gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann.

Tatsächlich gibt es ziemlich viele Dinge, die wir ändern können. Das Zauberwort dafür heißt: „Spielraum“. Wo ist der Spielraum für Veränderung zum Besseren hin?
Am schwierigsten ist es, Menschen zu ändern. Vor allem sich selbst. Mein Physiotherapeut versucht derzeit, mir ein regelmäßiges Übungsprogramm beizubringen. Das ändert meinen Tagesablauf – Hilfe!
Mut brauchen wir, wenn wir etwas ändern wollen. Wir wissen: Es wird Gegenwind geben.Da ist es gut, wenn wir uns mit anderen zusammentun und gemeinsam vorangehen.
„Mutig in die neuen Zeiten, frei und gläubig sieh uns schreiten.“ So fängt die dritte Strophe der österreichischen Bundeshymne an. Mutig, frei und gläubig.
Als Christinnen und Christen vertrauen wir auf den Beistand Gottes, auf seinen Heiligen Geist. Wir bitten um Inspiration, dass wir unsere Spielräume sehen können. Wir bitten im Stoßgebet um Kraft zum Durchhalten.
Ich bitte Gott um Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann.

 

3. Gott, gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden: das was ich ändern kann und das, was ich hinnehmen muss.

Beim Stichwort „Weisheit“ fällt mir der Spruch ein: „Mit dem Alter kommt die Weisheit. Manchmal kommt das Alter auch alleine.[2] 
Ganz automatisch kommt die Weisheit also nicht. Darum bitten wir Gott um Weisheit. Wir bitten um Menschen, mit denen wir etwas durchdenken können. Sollen wir das neue Projekt angehen? Soll ich dieses eher schwierige Thema jetzt ansprechen? Oder soll ich besser noch warten? Da brauchen wir jemanden zum Reden.
Für mich ist Jesus ein wichtiger Gesprächspartner. Was würdest Du jetzt tun? Hast Du einen Rat für mich? Jesus war ein innerlich gelassener Mensch. Aber eben nicht immer: Denken Sie an die Tempelreinigung in Jerusalem! Jesus hat die Welt verändert – und er tut es bis heute. Als Christinnen und Christen gehen wir in seiner Spur. Wir wollen die Welt verändern – zum Besseren hin.

Darum bitten wir Gott um Gelassenheit, Mut und Weisheit.

Amen.

 

[1] Im englischen Sprachraum kennt man es als „Serenity Prayer“.

[2] Dieser Spruch wird u.a. Jeanne Moreau, Mark Twain und Oscar Wilde zugeschrieben.